Marine
16.02.2024

Der Weg zur emissionsfreien Schifffahrt: drei Schlüsselfaktoren

Die Schifffahrt ist der Motor des weltweiten Handels, denn 90 % aller Waren werden auf dem Seeweg befördert. Sie ist aber auch ein großer Umweltverschmutzer, der jährlich 1.000 Mio. Tonnen CO2 freisetzt und damit für fast 3 % der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. Welche Lösungen können der Schifffahrt angesichts der ehrgeizigen Netto-Null-Ziele helfen, ihren Kurs zu ändern?

Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) geht davon aus, dass die Emissionen der Schifffahrt bis 2050 um bis zu 50 % steigen werden, wenn nicht mit strengen Maßnahmen gegengesteuert wird. Die Dekarbonisierung der Schifffahrtsindustrie geht bisher nur langsam voran. Die Entwicklung praktikabler Alternativen zu fossilen Kraftstoffen, die den Anforderungen schwerer Schiffe und langer Strecken gerecht werden, ist eine Herausforderung und die lange Lebensdauer der Schiffe behindert die schnelle Modernisierung der Flotten.

In den letzten Jahren hat sich jedoch eine gewisse Dynamik entwickelt: 2021 verpflichteten sich 14 Nationen auf der COP26 in Glasgow auf ein Netto-Null-Ziel für den Schiffsverkehr bis 2050 hinzuarbeiten und ein Jahr später wurde die Green Shipping Challenge auf der COP27 in Ägypten ins Leben gerufen.

Es gibt drei Schlüsselfaktoren, die den Wandel vorantreiben: politische Maßnahmen und Vorschriften, kurzfristige Sofortmaßnahmen und die längerfristige Entwicklung zukünftiger Kraftstoffe.

Politische Maßnahmen und Vorschriften zur Bewältigung der ökologischen Herausforderungen der Schifffahrt

Anfang dieses Jahres hat die IMO strenge Ziele für die Senkung der Treibhausgasemissionen des Schifffahrtssektors festgelegt, die die Bemühungen der Branche um die Dekarbonisierung in den kommenden Jahren beschleunigen werden. Auf der Sitzung des Ausschusses für den Schutz der Meeresumwelt der IMO im Juli 2023, die auch als MEPC 80 bezeichnet wird, einigten sich die Nationen darauf, dass die Emissionen des internationalen Seeverkehrs bis 2030 um 20 % und bis 2040 um 70 % im Vergleich zu 2008 gesenkt werden sollen und dass die Branche bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen soll.

Seit Januar 2023 gilt auch die neue Pflicht zur Energieeffizienz-Berichterstattung für Schiffe ab 5.000 BRZ. Dies stellt einen wichtigen Anreiz zur Verringerung der Kohlenstoffintensität dar.

In der EU wird die Schifffahrt in das Emissionshandelssystem der Europäischen Union integriert, wobei für die Fahrten zwischen EU-Häfen ein CO2-Preis für die gesamten Emissionen (100 %) erhoben wird. Für Fahrten zwischen EU- und Nicht-EU-Häfen gilt jedoch ein CO2-Preis, der nur die Hälfte der Schiffsemissionen abdeckt. Der Anteil, für den Emissionszertifikate gekauft werden müssen, wird schrittweise von 40 % im Jahr 2024 auf 70 % im Jahr 2025 und schließlich auf 100 % im Jahr 2026 steigen. Darüber hinaus werden Schiffe in der EU durch das Gesetz über Schiffskraftstoffe, die FuelEU Maritime Verordnung, ab 2025 dazu verpflichtet, ihre Emissionsintensität schrittweise zu senken, und zwar zunächst um 2 % jährlich von 2025 bis 2029 und dann bis zum Jahr 2050 um 80 %.

In Kalifornien fordern unterdessen neue Vorschriften des California Air and Resource Board (CARB) die Umstellung von fossilem Diesel auf erneuerbaren Diesel für gewerblich genutzte Hafenschiffe, einschließlich kleiner Fähren, großer Fischerboote und großer Frachtschiffe. Ähnliche Maßnahmen werden auch an anderen Orten an der Westküste der USA diskutiert. „Die politische Richtung ist sehr klar. Es gibt verschiedene Ebenen der politischen Unterstützung zur Förderung alternativer Kraftstoffe“, erklärt Carrie Song, Vice President, Renewable Road Transportation, Americas bei Neste. Sie ergänzt: „Politische Entscheidungsträger in anderen Ländern sollten sich an der kalifornischen Erfolgsgeschichte orientieren. Wir brauchen technologieneutrale Programme für saubere Kraftstoffe, die von mehr Städten und Staaten angenommen werden, um die Hafenschifffahrt zu dekarbonisieren.“

Andere Länder wie die USA, das Vereinigte Königreich und Südkorea erwägen ebenfalls die Einführung eigener Maßnahmen.

„Wenn es Vorschriften gibt, eröffnen sich dadurch auch Chancen und viele kreative Menschen entwickeln Lösungen, für die sich der enorme Investitionsaufwand leichter rechtfertigen und realisieren lässt“, fasst Sveta Ukkonen, Global Head of Marine Fuels & Services bei Neste, zusammen.

„Im Rahmen der MEPC 80 wurden die Ziele festgelegt, es wurden jedoch noch keine politischen Maßnahmen ergriffen. Das ist der nächste Punkt auf der Tagesordnung“, fügt Hannes von Knorring, leitender Berater bei DNV Maritime Advisory für Schweden und Dänemark, hinzu.

Sofort umsetzbare Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen des Schiffsverkehrs

Während neue politische Maßnahmen und Vorschriften an Fahrt gewinnen, gibt es viele Dinge, die Schiffsbetreiber jetzt schon tun können, um Emissionen zu reduzieren.

Hierzu gehören:

  • Der Einsatz von Segeln, Rotoren oder Kites trägt zur Verringerung des Treibstoffverbrauchs bei, der nach Angaben der Maritime Executive um 25-30 % gesenkt werden kann.
  • Die Reinigung des Schiffsrumpfs und der Propeller zur Verringerung des Biofouling und damit des Luftwiderstands, wodurch laut Global Maritime Forum bis zu 20 % der Treibstoffkosten eingespart werden können.
  • Die Rückgewinnung von Abwärme.
  • Der Einsatz digitaler Technologie für eine an Wetterbedingungen angepasste Routenoptimierung.
  • Die Verwendung von elektrischem Strom am Liegeplatz anstelle der schiffseigenen Hilfssysteme (ein Verfahren zur Versorgung mit Landstrom, das unter dem Begriff „Cold Ironing“ bekannt ist).
  • Der Einsatz eines neuen Verfahrens namens Luftschmierung, bei dem eine Schicht aus Luftblasen unter dem Schiffsrumpf erzeugt wird. Marine Insight führt an, dass „mit der richtigen Konstruktion des Schiffsrumpfes das Luftschmiersystem eine Reduzierung der CO2-Emissionen um bis zu 10-15 % sowie erhebliche Kraftstoffeinsparungen ermöglichen dürfte“.
  • Schiffe können auch einfach langsamer fahren (Slow Steaming) – eine Verringerung der Schiffsgeschwindigkeit um 10 % kann die Emissionen eines einzelnen Schiffs um 27 % reduzieren.

Auch wenn diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die IMO-Ziele zu erreichen, so sind sie doch ein guter Anfang. „Kurzfristige Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebseffizienz bestehender Schiffe – die Einsparung von Treibstoff, Kosten und Zeit durch Änderungen der Schiffsgeschwindigkeit und -leistung – können eine entscheidende Rolle bei der Reduzierung der heutigen Emissionen spielen und bereiten uns gleichzeitig auf eine dann leichter zu bewältigenden langfristigen Umstellung vor, die teurere emissionsfreie Kraftstoffe und letztendlich einen Preis für Kohlenstoff mit sich bringen wird“, so die Aussage des Global Maritime Forum.

Für kleinere Schiffe oder solche, die nur auf kurzen Strecken eingesetzt werden, wie z. B. Fähren, ist die Elektrifizierung eine Option, die derzeit entwickelt wird. Elektrische Fähren werden derzeit bereits in Betrieb genommen, insbesondere in den nordischen Ländern Europas.

Der Schlüssel zur Dekarbonisierung der Schifffahrt: die Kraftstoffe der Zukunft

Der Schlüssel zur Dekarbonisierung des Schifffahrtssektors liegt letztlich darin, die derzeitigen fossilen Kraftstoffe durch emissionsärmere Alternativen zu ersetzen.

Mittels Co-Processing-Verfahren hergestellter Schiffskraftstoff für die Langstrecke

Neue Lösungen, die sich für die herausfordernden Bedingungen der typischen Langstrecken in der Schifffahrt eignen, kommen jetzt auf den Markt, wie z. B. Neste Marine™ 0.1 Co-processed, das seit 2022 erhältlich ist. Der erneuerbare Anteil des im Co-Processing-Verfahren hergestellten Schiffskraftstoffs ermöglicht eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus des Kraftstoffs um bis zu 80 % im Vergleich zu fossilem Kraftstoff.

Bei der Herstellung dieses Schiffskraftstoffs wird fossiles Öl durch erneuerbare Rohstoffe ersetzt, die im konventionellen Raffinerieprozess verarbeitet werden. Hierdurch haben Schifffahrtsunternehmen die Möglichkeit, schrittweise auf erneuerbare Alternativen umzusteigen, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern.

„Der Anteil an Abfällen und Reststoffen an den von uns weltweit eingesetzten erneuerbaren Rohstoffen liegt bei über 90 %“, so Ukkonen. „Marine 0.1 Co-processed kann verwendet werden, ohne dass Änderungen oder Investitionen in die Verteilungsinfrastruktur für Kraftstoffe erforderlich sind. Die Qualität wurde während des gesamten Prozesses kontrolliert und das Ergebnis ist eine Zusammensetzung und Performance, die mit herkömmlichem Schiffskraftstoff vergleichbar sind.“

Nachhaltigere Kraftstoffe für kleinere Hafenschiffe

Die neuen Vorschriften in Kalifornien fördern den Einsatz von erneuerbarem Diesel als Alternative zu fossilem Kraftstoff, um die Emissionen vor allem bei kleineren Hafenschiffen wirksam und sofort zu senken.

„Mit Neste MY Renewable Diesel können die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilem Diesel über den gesamten Lebenszyklus des Kraftstoffs um bis zu 75-90 % reduziert werden. Der genaue Prozentsatz der Emissionsreduzierung hängt davon ab, welche Rohstoffe zur Veredelung des Produkts verwendet werden, sowie von den verschiedenen regionsspezifischen Rechtsvorschriften, die die Berechnungsmethode vorgeben“, erklärt Song.

Darüber hinaus kann erneuerbarer Diesel laut der Forschung des CARB die Feinstaubemissionen im Vergleich zu fossilem Diesel um bis zu 26,6 % und die Stickoxidemissionen (NOx) um bis zu 11,8 % senken, wenn die Hafenschiffe mit einem Tier-2-zertifizierten Motor ausgestattet sind.

Der erneuerbare Diesel und der mittels Co-Processing hergestellte Schiffskraftstoff von Neste haben beide den Vorteil, dass sie herkömmliche Schiffskraftstoffe ersetzen können, ohne dass Änderungen an den Schiffsmotoren oder der Verteilungsinfrastruktur für Kraftstoffe erforderlich sind.

Neste forscht auch auf dem Gebiet der Elektrolyse und Power-to-X-Lösungen, um die Herstellung von Kraftstoffen auf Wasserstoffbasis und anderen Produkten zu ermöglichen.

Die nächsten Schritte, um die Dekarbonisierung in der Schifffahrt voranzutreiben

Den Schifffahrtssektor bis 2050 zu dekarbonisieren, ist ein ehrgeiziges Ziel. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen alle ihren Teil dazu beitragen – nicht nur bei der Herstellung nachhaltigerer Kraftstoffe, sondern auch durch Änderungen bei der Konstruktion von Schiffen und ihren Motoren sowie durch die Optimierung von Geschwindigkeit, Flottenmanagement und Logistik.

„Früher mussten die Schiffsbetreiber keinen Gedanken daran verschwenden, mit welchem Kraftstoff ihr Schiff betrieben wird“, sagt von Knorring. „Das ändert sich jetzt. Es gibt zwar eine Reihe „von üblichen Verdächtigen“ wie Ammoniak, Methanol oder Biokraftstoffe, aber auch andere Optionen wie Kernkraft und Kohlenstoffabscheidung an Bord werden in Betracht gezogen. Schiffseigner müssen sich entscheiden, welche Technologien sie in die nähere Wahl ziehen wollen, und mit anderen Interessengruppen zusammenarbeiten.“ 

Darüber hinaus müssen die Schifffahrtsunternehmen die Nachfrage steigern, was wiederum weitere Investitionen in neue Lösungen nach sich ziehen wird. „Nachhaltiger Kraftstoff ist derzeit noch nicht in ausreichenden Mengen verfügbar, daher müssen die Schiffseigner mit den Kraftstoffherstellern zusammenarbeiten und ihnen zusichern, dass sie deren Kraftstoff abnehmen werden. Hierdurch können die Hersteller die Finanzierung für den Bau von Produktionsanlagen sicherstellen. Dazu müssen die Schiffseigner auch mit den Frachteignern zusammenarbeiten, um sich die Risiken eines solchen Engagements in der Kraftstofflieferkette zu teilen“, so Knorring abschließend.

Die Reise der Schifffahrtsbranche in Richtung Dekarbonisierung hat zwar gerade erst begonnen, aber die Voraussetzungen für exponentielle Fortschritte sind gegeben.

 

*) Emissionsminderung des biobasierten Anteils des Produkts über den Lebenszyklus des Kraftstoffs im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen. ***) Die verwendete Methode zur Berechnung der Lebenszyklus-Emissionen und der Emissionsreduzierung lehnt sich an die Richtlinie II (EU) 2018/2001 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen an.

Credits:

Mike Scott, ein preisgekrönter Wirtschafts- und Umweltjournalist, dessen Arbeiten unter anderem in der Financial Times, dem Guardian und Forbes erschienen sind.