Nachhaltigkeit
13.06.2022
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Von steigenden Anforderungen zu stärkender Transparenz – über die Zukunft der Nachhaltigkeitsberichterstattung und -bewertung

Minna Aila
SVP, Sustainability and Corporate Affairs at Neste

 

Dieser Artikel wirft einen Blick in die Zukunft der Nachhaltigkeitsberichte, -prüfungen und -bewertungen von Unternehmen und in eine Zukunft, in der sie wirksame Impulsgeber für eine nachhaltige Transformation sind.  

Die Notwendigkeit, ihre Geschäftstätigkeit ökologisch und sozial nachhaltig zu gestalten, gewinnt für Unternehmen zunehmend an Dringlichkeit. Gleichzeitig wird es immer wichtiger zu beurteilen, wie gut Unternehmen diesen Anforderungen gerecht werden. Daher brauchen wir einerseits eine transparente und umfassende Nachhaltigkeitsberichterstattung, damit die Auswirkungen und Leistungen der Unternehmen wahrheitsgetreu dargestellt werden. Andererseits sind Nachhaltigkeitsbewertungen, -prüfungen und -zertifizierungen zu wichtigen Instrumenten geworden, um diese Informationen für Kunden, Investoren und andere Interessengruppen zu bewerten und zusammenzufassend darzustellen.

In den letzten Jahren hat sich diese Landschaft rasch weiterentwickelt und an Vielfalt gewonnen. Dadurch hat das Thema Nachhaltigkeit zunehmend die ihm gebührende Aufmerksamkeit erfahren und es sind weitere Anreize für Veränderungen entstanden. Wir sind jedoch an einem Punkt angelangt, an dem es schwierig wird, den Wald vor lauter Bäumen zu sehen. Die Unternehmen manövrieren sich durch ein Dickicht aus verbindlichen gesetzlichen Anforderungen, freiwilligen Rahmenregelungen, die zur Norm geworden sind, Empfehlungen für die Berichterstattung, die einen bestimmten Bereich der Nachhaltigkeit abdecken, und separaten Fragebögen zur Nachhaltigkeitsbewertung. 

Erfüllen die vielen Rahmenwerke, Bewertungen und Zertifizierungen noch ihren eigentlichen Zweck als Instrumente für eine fundierte Entscheidungsfindung? Es bleibt zu hoffen, dass wir uns auch in dieser Hinsicht von einem fast verwirrenden Überfluss zu einer sinnvollen Optimierung bewegen. Hier der Grund:

Eine steigende Nachfrage nach einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung 

Es ist klar, dass Umfang und Tiefe der Nachhaltigkeitsberichterstattung weiter zunehmen werden. Jüngstes Beispiel dafür ist die EU-Klassifizierung (Taxonomie) für nachhaltige Aktivitäten, die die Art und Weise, wie Unternehmen die Nachhaltigkeit ihrer Geschäftstätigkeit definieren und darüber berichten, grundlegend verändert. Sie ist bei weitem nicht perfekt, zwingt die Unternehmen aber dazu, ihre Tätigkeiten aus einem anderem Blickwinkel zu betrachten und sie damit zu neuen strategischen Überlegungen bewegen könnte. 

Auf europäischer Ebene werden die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsarbeit und -berichterstattung von Unternehmen durch Gesetzesinitiativen wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD) erhöht. In den Vereinigten Staaten hat die US-Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, SEC) außerdem eine Vorschrift vorgeschlagen, nach der Unternehmen umfassender über die klimabedingten Auswirkungen auf ihre Geschäftstätigkeit berichten sollen, einschließlich klimabedingter Risiken und deren finanzielle Auswirkungen. Sofern sie es in der Vergangenheit noch nicht getan haben, ist es für Unternehmen  jetzt an der Zeit, ihr Verständnis der Lieferketten zu vertiefen und sich mit der Zukunft und sogar mit dem Unbekannten befassen, um die potenziellen Auswirkungen, Risiken und Chancen im Bereich Nachhaltigkeit über einen Zeithorizont von mehreren Jahrzehnten zu analysieren.

Diese neuen Anforderungen schaffen eine noch solidere Grundlage für zuverlässige und wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeitsinformationen. Eine erweiterte Berichterstattung bedeutet auch, dass Nachhaltigkeitsthemen funktions- und geschäftsübergreifend behandelt werden, dass also auch die Finanz-, Produktentwicklungs-, Vertriebs-, Nachhaltigkeits- und weitere Teams einbezogen werden. Die Unternehmen werden unweigerlich ein ganzes Arsenal an neuen Fähigkeiten und Ressourcen benötigen, um diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden. Wir sollten aber auch bedenken, dass steigende Anforderungen und zunehmende Arbeitsbelastung nicht die einzigen Folgen daraus sind. Letztlich bietet sich den Unternehmen jetzt eine ausgezeichnete Gelegenheit, diese neuen Informationen als Impulsgeber für eine schnellere Unternehmenstransformation zu nutzen.

Klarheit durch eine zunehmend einheitliche Berichtslandschaft

Trotz der wachsenden Menge an Nachhaltigkeitsdaten sind wir gleichzeitig auf dem Weg zu einer intelligenteren Berichterstattung. Wir erleben schon jetzt, wie die Rahmenbedingungen und Vorschriften für die Berichterstattung aufeinander abgestimmt und vereinheitlicht werden und die zuständigen Akteure zusammenarbeiten. So ist beispielsweise die weit verbreitete Global Reporting Initiative (GRI) an der Ausarbeitung der europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung beteiligt, die den Kern der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung bilden werden und für die derzeit die Öffentlichkeitsbefragung durchgeführt wird. Auf globaler Ebene hat die International Financial Reporting Standards (IFRS) Foundation ein eigenes International Sustainability Standards Board (ISSB) eingerichtet, um globale Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu schaffen. Die Arbeit des ISSB baut auf zwei bestehenden Rahmenwerken auf: dem branchenbasierten Sustainability Accounting Standards Board (SASB) und der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD).

Wir befinden uns hier zwar noch in der Entwicklungsphase, die mit einer gewissen Unsicherheit und sicherlich auch mit einem höheren Arbeitsaufwand verbunden ist, aber wir sollten uns Augen zu halten, dass wir am Ende hoffentlich mit einer stärker standardisierten Berichtslandschaft belohnt werden, die unsere Berichtsarbeit einfacher macht.

Auf dem Weg zu intelligenten Nachhaltigkeitsbewertungen und fundierten Schlussfolgerungen  

Da sich die Qualität, das Format und die Verfügbarkeit der Nachhaltigkeitsinformationen von Unternehmen verbessern, liegt die Hoffnung auf einer einheitlicheren und konsolidierten Landschaft von Nachhaltigkeitsbewertungen, -prüfungen und -zertifizierungen. Der Zustand jetzt kann verwirrend und anstrengend sein, da es unterschiedliche Methoden, nicht vorhandene Zusammenhänge, falsche Schlussfolgerungen und irreführende Angaben gibt. Dennoch müssen wir unbedingt Mittel und Wege finden, um die riesigen Informationsmengen zu filtern und übersichtlich darzustellen – jetzt mehr denn je, da wir die Anstrengungen für mehr Nachhaltigkeit in allen Bereichen beschleunigen müssen.

Heute werden Nachhaltigkeitsbewertungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und unterschiedlichem Detaillierungsgrad für verschiedene kommerzielle und nichtkommerzielle Zwecke erstellt. Viele Indizes und Bewertungen werden für den Finanzsektor erstellt, wie z. B. der MSCI ESG Rating Index, der die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen gegenüber den Risiken der Verantwortungsbereiche Umwelt (Environment), gesellschaftliches Engagement (Social) und Unternehmensführung (Governance) bewertet, und die Dow Jones Sustainability Indizes (DJSI), die die Umwelt- und Sozialberichterstattung von Unternehmen bewerten. Es existieren auch unabhängige Bewertungen der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen, wie die Liste der 100 weltweit nachhaltigsten Unternehmen von Corporate Knights. Darüber hinaus konzentrieren sich einige Ratings auf einen bestimmten Bereich der Nachhaltigkeit, wie z. B. das Carbon Disclosure Project (CDP), das vor allem für seine umfassende Bewertung der Klimaarbeit von Unternehmen bekannt ist.

Diese Beispiele zeigen, dass verschiedene Nachhaltigkeitsbewertungen auf unterschiedlichen Zielen, Schwerpunkten und Bewertungsmethoden basieren. Mitunter kann es schwierig sein, aus einer einzigen Nachhaltigkeitsbewertung Schlussfolgerungen zur Leistung eines Unternehmens zu ziehen. Es gibt jedoch viele etablierte Akteure, die verlässliche Erkenntnisse auf diesem Gebiet liefern, und interessante neue Ansätze, aussagekräftige Analysen der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen zu erstellen. Wenn ich in die Zukunft blicke, sehe ich noch mehr Klarheit für alle Beteiligten, eine intelligente Nutzung ihrer Ressourcen und letztlich eine erfolgreichere Entscheidungsfindung auf der Grundlage relevanter und zeitnaher Informationen. Wenn wir an diesem Punkt angelangt sind, können wir auch damit beginnen, traditionelle Branchengrenzen zu durchbrechen und uns auf Lösungen zu konzentrieren, die tatsächlich etwas bewirken.

Weil die Aussage „was gemessen wird, wird auch gemanagt“ so oft zutrifft, kann man davon ausgehen, dass eine einheitlichere und branchenübergreifende Bewertung zu einem offeneren, neugierigeren und ehrgeizigeren Ansatz in Bezug auf das Management der Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen führen wird. Wenn wir es schaffen, nicht nur die Leistung, sondern auch die Auswirkungen zu messen, werden wir einen weiteren Schritt nach vorn machen. Wir von Neste unterstützen diese Entwicklung voll und ganz und setzen uns für sie ein, da sie ein wichtiges Element für die Beschleunigung der nachhaltigen Transformation von Unternehmen und Gesellschaften ist.

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Minna Aila
SVP, Sustainability and Corporate Affairs at Neste