Luftfahrt
27.09.2022

Was ist in den nächsten 5 Jahren zu erwarten?

Die Luftfahrtindustrie prüft Alternativen zu fossilen Brennstoffen. Doch kommt sie damit schnell genug voran? 

Die Eröffnungssitzung der International Aviation Climate Ambition Coalition auf der COP26 in Glasgow und die von der International Air Transport Association (IATA) und dem Airport Council International (ACI) angekündigten globalen Netto-Null-Emissionsziele signalisierten einen Wandel in der Luftfahrtindustrie. Eine Einschätzung von Luftfahrt-Experte und -Journalist Keith Mwanalushi.

Auch wenn es noch in weiter Ferne liegt, dass die Luftfahrt ganz ohne fossile Brennstoffe auskommt, kann man doch eine deutliche Dynamik beobachten. Immer mehr Fluggesellschaften, Flughäfen, Flugzeughersteller, Treibstoffproduzenten und Regulierungsbehörden verpflichten sich zur Abkehr von fossilen Brennstoffen und wollen bis 2050 keine Kohlenstoffemissionen mehr verursachen. Nachhaltige Flugkraftstoffe, innovative Technologien und eine strenge Regulierung sind Schlüsselelemente, die der Branche helfen werden, diesen Übergang zu meistern. Zwar werden parallel neue Flugzeugkonzepte und Triebwerke entwickelt, doch diese Innovationen werden nicht ausreichen, um die Emissionen schnell zu senken.

 

Nachhaltiger Flugkraftstoff steht im Fokus 

In den nächsten fünf Jahren wird der verstärkte Einsatz von nachhaltigem Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel, SAF) im Mittelpunkt stehen. Hierbei handelt es sich um eine Drop-in-Lösung, mit der die Luftfahrtindustrie ihre Kohlenstoffemissionen sofort um bis zu 80 Prozent senken kann. Die unmittelbaren Vorteile von SAF sind weithin anerkannt, aber die eigentliche Herausforderung wird darin bestehen, den steigenden Bedarf an SAF zu decken. Als führender Hersteller von nachhaltigem Flugtreibstoff ist sich auch Neste dessen sehr bewusst.

Neste stellt seit 2011 SAF her und verfügt derzeit über eine Produktionskapazität von 100.000 Tonnen pro Jahr. Mit den laufenden Investitionen in die Neste-Raffinerien für erneuerbare Produkte in Singapur und Rotterdam wird die jährliche SAF-Produktionskapazität bis Ende 2023 auf 1,5 Millionen Tonnen steigen. „Wir erhöhen unsere globale SAF-Produktionskapazität um das 15-fache und sind damit bereit, die Emissionsreduktionsziele der Luftfahrt weltweit zu unterstützen", sagt Thorsten Lange, Nestes Executive Vice President Renewable Aviation.

 

Weitere Hersteller treten in den Markt ein

Neben etablierten Herstellern wie Neste gibt es jetzt auch eine Reihe neuer Akteure auf dem Markt für erneuerbare Kraftstoffe. Auch immer mehr Fluggesellschaften verpflichten sich zur Verwendung von SAF. Ein Beispiel dafür sind die IAG-Fluggesellschaften, die sich aktiv für die Verwendung von SAF in ihren jeweiligen Märkten einsetzen. British Airways führte im vergangenen Jahr den ersten Transatlantikflug durch, der zu 35 Prozent mit SAF betrieben wurde. 

Jonathon Counsell, Leiter der Abteilung Nachhaltigkeit bei IAG, erklärt, dass IAG bis heute 865 Millionen Dollar für den Kauf und die Investition in SAF bereitgestellt hat. „Wir arbeiten derzeit mit fünf Partnern zusammen und suchen aktiv nach weiteren Möglichkeiten, unsere eigene Versorgung zu sichern und gleichzeitig  durch Investitionen die Produktion zu beschleunigen.” 

 

Regulierung spielt eine wichtige Rolle

Mit Blick auf die Notwendigkeit einer starken Regulierung weist Thorsten Lange jedoch darauf hin, dass Mandate und Gesetze eine wichtige Rolle spielen, um die Einführung nachhaltiger Kraftstoffe durch Fluggesellschaften voranzutreiben. Er erklärt dazu: „Allerdings ändert sich die Situation bereits jetzt. Es gibt mehrere Fluggesellschaften, die SAF kaufen, entweder aufgrund eines Mandats, wie in Frankreich, Norwegen und Schweden, oder weil es ein Anreizsystem gibt, zum Beispiel an der Westküste der USA oder in den Niederlanden.“

In diesem Sinne sind klare Signale bezüglich der SAF-Beimischungsvorschriften ein wichtiger Bestandteil des Fahrplans zur Emissionssenkung. Die Europäische Union sieht beispielsweise vor, im Jahr 2025 ein SAF-Mandat von 2 Prozent einzuführen, das in der EU umgesetzt und im Laufe der Jahre schrittweise erhöht werden soll. Ein echter Schritt in die richtige Richtung. Jonathon Counsell stimmt zu, dass diese politischen Schritte wichtig sind, um die Investitionen in Anlagen zu beschleunigen, die eine Ausweitung der SAF-Produktion ermöglichen: „Mandate allein werden jedoch nicht ausreichen, um diese Investitionen anzuziehen - zusätzlich brauchen wir einen Preisstabilitätsmechanismus, wie er zur Unterstützung anderer kohlenstoffarmer Technologien Anwendung fand.
 

Alle müssen für den Wandel in der Luftfahrt zusammenarbeiten

Der Druck bezüglich der Verfügbarkeit der Rohstoffe wird mit dem Hochfahren der Produktion und dem Markteintritt weiterer Raffinerien zunehmen - und das könnte sich auch auf die Kosten auswirken. Um die Preise stabil zu halten oder sogar weiter zu senken, muss es nach Ansicht von Lange mehr Flexibilität bei den Kriterien für förderfähige Rohstoffe geben: Der Rohstoffpool sollte im Rahmen des Legislativpakets „Fit for 55“ der Europäischen Union auf jeden Fall so breit wie möglich sein. So sind beispielsweise innovative Lösungen wie die Umwandlung von Siedlungsabfällen in Brennstoffe vielversprechende Technologien mit einer großen Rohstoffbasis, auch wenn die Produktionskosten und Investitionen derzeit vergleichsweise hoch sind. Lange geht davon aus, dass langfristig mit der Einführung von grünem Wasserstoff die Kosten für die Herstellung von SAF gesenkt werden können.

Counsell glaubt, dass Zusammenarbeit die Zauberformel ist, wenn es darum geht, den wachsenden Bedarf an SAF zu decken und die Emissionsziele der Luftfahrt zu erreichen. IAG arbeitet eng mit Partnern aus der Branche zusammen, um eine konzertierte Aktion aller Beteiligten zur Erhöhung des Angebots zu fördern. „Hier bietet sich eindeutig eine Chance, aber es ist erforderlich, dass wir alle zusammenarbeiten", betont Counsell. Es besteht kein Zweifel daran, dass sich die Branche in die richtige Richtung bewegt. Ob das Tempo und der Umfang schnell genug sind, werden wir in den nächsten fünf Jahren herausfinden.

 

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