Kunststoffe
25.05.2022

Ein zweites Leben: Kunststoffabfall neu definieren

 

Ist Plastikmüll tatsächlich Abfall? Oder könnte er womöglich ein wertvoller Rohstoff sein? In Europa wird nur ein kleiner Teil des Plastikmülls wirklich verwertet. Es ist dringend notwendig, dass wir die Recyclingquoten erhöhen, indem wir Plastikmüll neu definieren.

Sprechen wir über Effizienz. Das Thema Effizienz ist in der Geschäftswelt nicht neu. Jeder, der ein Unternehmen führt, liebt Effizienz und das seit Jahrzehnten: Spitzenleistungen erreichen, Inputs minimieren, Outputs maximieren. Effizienz ist eine Herausforderung, bietet Wettbewerbsvorteile und verbessert die finanziellen Ergebnisse. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Kinderspiel. 

Das Bewusstsein für den Klimawandel und für andere Umweltfragen hat eine neue Dimension der Effizienz hervorgebracht: die Minimierung der Auswirkungen auf unseren Planeten durch die effizientere Nutzung von Ressourcen. Auslöser sind dieses Mal aber weniger die Finanzergebnisse, als vielmehr das Thema Nachhaltigkeit. Ressourceneffizienz ist ein zentrales Element in Zusammenhang mit dem Klimawandel. 

In der Polymerindustrie müssen noch Schritte unternommen werden, um die Ressourceneffizienz zu verbessern. Jedes Jahr fallen hunderte Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an und diese landen derzeit meist in der Verbrennung oder auf der Deponie. Mit anderen Worten: Ab auf die Deponie damit oder einfach verbrennen und fertig. Mit Ressourceneffizienz hat das nun wirklich nichts zu tun.  

Die Wahrnehmung im Alltag der Verbraucher ist jedoch eine andere: Wenn wir unsere leeren Plastikflaschen zurück in den Supermarkt tragen und den Plastikmüll zu Hause trennen, fühlen wir uns wie effiziente Recycling-Superhelden. Und obwohl es auf jeden Einzelnen ankommt, wenn es um das Recycling von Kunststoffabfällen und anderen Materialien geht, und unser Beitrag im Alltag für unsere Gesellschaft insgesamt Vorteile bringt, sieht die Realität doch so aus, dass nur ein sehr geringer Anteil unserer Kunststoffabfälle tatsächlich recycelt wird. In Europa werden 30 % der Kunststoffabfälle zur Wiederverwertung gesammelt, aber nur 10 % werden tatsächlich wiederverwertet. Diese 10 % haben ein zweites Leben. Für die restlichen 90 % bedeutet dies, dass sie nach Ende der Produktlebensdauer nicht weiter genutzt werden. 

Die Folge: Für jedes neue Produkt müssen wir neue Materialien einsetzen, und im Fall der Polymere bedeutet dies, dass auf natürliche fossile Ressourcen zurückgegriffen werden muss. Auch wenn fossile Ressourcen breit verfügbar sind und in großem Umfang genutzt werden, fordern sie ihren Tribut, wenn es um die Nachhaltigkeit geht. Mit jedem verbrauchten Liter Rohöl führen wir dem System neuen Kohlenstoff zu. Sobald er seinen Zweck erfüllt hat, landet dieser neue Kohlenstoff schließlich als CO2 in der Atmosphäre. Das müssen wir angehen.

Eine Möglichkeit, dem Plastikmüll den Garaus zu machen, wäre der vollständige Verzicht auf Polymere. Polymere werden jedoch in vielen Anwendungen benötigt und sind daher sehr wertvolle Produkte. Bei bestimmten Produkten für die Lebensmittel- und Pharmaindustrie sind Polymere nur sehr schwer zu ersetzen. Wenn wir den technologischen Fortschritt nicht aufhalten wollen, müssen wir nachhaltigere Lösungen finden – und die petrochemische Industrie spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wir müssen unsere Wertschöpfungsketten überdenken und Wege finden, die Materialien optimal zu nutzen, indem wir unsere Ressourcen immer wieder verwerten: Wir müssen eine Kreislaufwirtschaft für Polymere ermöglichen. 

Die Idee ist ganz einfach: Abfall in eine wertvolle Ressource verwandeln, um fossile Ressourcen zu ersetzen. Anstatt dem System neuen Kohlenstoff zuzuführen, können wir den vorhandenen Kohlenstoff immer wieder zirkulieren lassen. Obwohl es entscheidend ist, die Recyclingquoten deutlich zu erhöhen, wird es schwierig sein, eine Quote von 100 % zu erreichen. Einen Vorteil haben wir allerdings auf unserer Seite: Dank des natürlichen Kohlenstoffkreislaufs auf unserem Planeten können wir erneuerbare Kohlenstoffquellen nutzen, um die Lücke zu schließen. Die Verwendung biobasierter Kohlenstoffquellen stellt sicher, dass dem Kreislauf kein zusätzlicher Kohlenstoff hinzugefügt wird. Indem wir sowohl erneuerbaren als auch recycelten Kohlenstoff nutzen, können wir unsere linearen Wertschöpfungsketten schließlich in kreisförmige umwandeln. 

Auf diese Weise schaffen wir ein zweites Leben für die von uns verwendeten Materialien und bringen Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit in der Polymerindustrie auf die nächste Stufe. Ausdauer und Durchsetzungsvermögen sind hier gefragt. Wir müssen den Mut aufbringen und die Herausforderungen in Angriff nehmen, vor die uns die gleichzeitige Bekämpfung von Plastikmüll und Klimawandel stellt. Es sind Herausforderungen, die sich nicht einfach in Luft auflösen. Sie lassen sich nur bewältigen, wenn wir sie angehen.

 

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