Kunststoffe
6.09.2022
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Widerlegt – die drei größten Mythen über erneuerbare Kunststoffe

Dr. Eva Amsen

Aus ökologischer Sicht hat Plastik einen schlechten Ruf – doch neue Ausgangsmaterialien für Kunststoffe, welche zum Beispiel aus erneuerbaren Rohstoffen hergestellt werden, bieten innovative, nachhaltigere Lösungen, die fossile Ressourcen ersetzen. Sie haben nicht nur einen geringeren CO2-Fußabdruck, sondern sind qualitativ ebenbürtig und einfach zu verwenden.

„Die meisten auf dem Markt befindlichen Kunststoffe werden aus Erdöl hergestellt“, sagt Maiju Helin, Leiterin der Abteilung Nachhaltigkeit und Gesetzliche Anpassung im Geschäftsbereich Erneuerbare Polymere und Chemikalien bei Neste, einem weltweit führenden Unternehmen in der Produktion erneuerbarer und zirkulärer Rohmaterialien für Kunststoffe. 

Im globalen Bestreben, den Einsatz fossiler Ressourcen zu reduzieren, um die Klimakrise zu entschärfen, stehen alternative Produktionsmethoden für Kunststoffe ganz oben auf der Agenda. In den Fokus rücken daher erneuerbare oder biobasierte Kunststoffe aus nachwachsenden Ressourcen. Diese erneuerbaren Rohstoffe können  Abfälle und Reststoffe von Ölen und Fetten umfassen, z. B. gebrauchtes Speiseöl oder Reste aus der Lebensmittelherstellung. 

 

Sind erneuerbare Kunststoffe eine „grünere“ Option?

Um zu verstehen, warum fossilbasierte Kunststoffe nicht nachhaltig sind, müssen wir das große Ganze betrachten.

„Wenn wir unseren fossilen Reserven neue Rohstoffe entnehmen, befördern wir neuen Kohlenstoff in das System, die Atmosphäre und die Technosphäre“, sagt Helin. 

Der maßgebliche Aspekt bei nachhaltigen Alternativen ist, weniger zusätzlichen Kohlenstoff ins System zu bringen. Denn jeder zusätzliche Kohlenstoff aus fossilen Quellen erhöht den Gesamtgehalt des CO2s in der Atmosphäre, wenn Abfallverbrennung die Entsorgungslösung für einen Großteil der kunststoffhaltigen Materialien darstellt. Und genau dazu können nachwachsende Rohstoffe beitragen, da sie auf erneuerbare Kohlenstoffquellen zurückgreifen, d. h. auf Kohlenstoff, der bereits im System ist. 

Bei erneuerbaren oder biobasierten Kunststoffen stammt der Kohlenstoff teilweise oder vollständig aus nachwachsenden Quellen wie etwa Pflanzen. „Wenn Biomasse produziert wird, absorbiert sie CO2 aus der Atmosphäre.“, so Helin. „Folglich erreichen wir eine ausgeglichenere CO2-Bilanz, wenn wir diesen erneuerbaren Kohlenstoff nutzen.“ 

Helin betont, dass biobasierte Kunststoffe keine Einladung zur Wegwerfkultur sind, denn sie müssen am Ende ihres Lebenszyklus immer noch fachgerecht aufbereitet werden. Die ideale Verwertungslösung sei natürlich das Recycling. So wird der Kohlenstoff in den Produkten immer wieder weiterverwendet, und das Anzapfen fossiler Ressourcen sowie die in die Atmosphäre freigesetzte Menge an CO2 werden weiter reduziert.

 

Welche Qualität haben erneuerbare Kunststoffe?

In Sachen Qualität, Haltbarkeit und Leistungsfähigkeit besteht kein Unterschied zwischen Kunststoffen aus erneuerbaren Quellen und solchen aus fossilen Ressourcen. Sie können für die exakt gleichen Einsatzbereiche genutzt werden, darunter auch anspruchsvolle Anwendungen wie medizinische Geräte oder Produkte für den Kontakt mit Lebensmitteln.

Zudem betont Helin: „Unter dem Gesichtspunkt der Qualität können Sie nicht unterscheiden, ob ein Kunststoff aus rein fossilen oder erneuerbaren Quellen hergestellt wurde.“ Mit anderen Worten: Die Qualität ist dieselbe.

 

Ist der Umstieg von fossilbasierten auf erneuerbare Kunststoffe kompliziert?

Wir haben festgestellt, dass Kunststoffe auf Basis nachhaltig bezogener, erneuerbarer Rohstoffe umweltverträglicher sind, da sie zum Beispiel gegenüber fossilbasierten Kunststoffen weniger CO2-Emissionen verursachen und dabei qualitativ gleichwertig sind. Doch wie sieht es mit dem erforderlichen Aufwand für den Umstieg von fossilbasierten auf erneuerbare Kunststoffe aus?

Das Gute ist, sobald die nachwachsenden Rohstoffe zu erneuerbaren Rohmaterialien für Polymere verarbeitet werden, besteht chemisch kein Unterschied zu fossilbasierten Ausgangsmaterialien. Das bedeutet, sie können in bereits vorhandenen Anlagen und mit der existierenden Infrastruktur verarbeitet werden. Sie können sogar mit fossilen Rohstoffen gemischt werden, um ihre Nutzung schrittweise zu steigern.

„Es ist eine Drop-in-Lösung“, sagt Helin. „Bei der Verwendung erkennen Sie keinen Unterschied zum fossilbasierten Pendant.“

Und doch sind die positiven Auswirkungen enorm, denn die Kohlenstoffemissionen und unsere Abhängigkeit von fossilen Ressourcen sinken.

Helin schließt mit den Worten: „Wie teuer käme es uns zu stehen, wenn wir weiterhin Kunststoffe aus fossilen Brennstoffen produzierten? Wir können es uns nicht leisten, so weiterzumachen wie bisher, oder?“