Kreislaufwirtschaft
11.06.2021

CEO Talks: Den Wandel hin zu einer zirkulären Bioökonomie vorantreiben – drei Thesen

Peter Vanacker
President und CEO von Neste

Was ist eine zirkuläre Ökonomie? Es gibt hunderte verschiedene Definitionen, aber für mich ist das Konzept der zirkulären Ökonomie ganz einfach: anstatt etwas wegzuwerfen, verwendet man es wieder.

Zirkuläre Bioökonomie ist ein Begriff, der das Konzept der Kreislaufwirtschaft mit jenem der Bioökonomie kombiniert, die wiederum auf der nachhaltigen Nutzung von erneuerbaren Ressourcen basiert. Zudem müssen die von uns produzierten Produkte recycelbar sein. Ich nähere mich diesem Thema gerne über drei Schlüsselthesen.

1. Damit die Branche zukunftsfähig wird, ist zirkuläre Bioökonomie keine Option – sie ist ein Muss.

Diese Aussage hat mit zwei großen, globalen Herausforderungen zu tun: der Klimakrise und der weltweiten Herausforderung Plastikmüll. 

Die Klimakrise ist so gewaltig, dass sie nicht mit einer einzigen Lösung angegangen werden kann. Wir werden in allen Bereichen Emissionen reduzieren müssen: zu Lande, zu Luft und zu Wasser. Das bedeutet auch, dass wir die Umweltauswirkungen verschiedener Endprodukte reduzieren und neue Methoden entwickeln müssen, damit Kunststoffabfälle als wertvolles Material angesehen werden und im Kreislauf bleiben.

Plastics Europe hat beispielsweise darauf hingewiesen, dass 2018 insgesamt 29 Millionen Tonnen Post-Consumer-Kunststoffabfälle in Europa zur Aufbereitung gesammelt wurden. Stellen Sie sich vor, nur ein Drittel davon wurde dem Recycling zugeführt und noch weniger wurde tatsächlich recycelt. Die verbleibenden zwei Drittel waren für die zirkuläre Ökonomie verloren, da sie entweder der Energierückgewinnung zugeführt wurden oder auf Deponien landeten. Gleichzeitig geht man davon aus, dass der Bedarf an Kunststoffen bis 2050 um das Vierfache steigen wird. 

Was uns Hoffnung macht, ist die Tatsache, dass die Polymer- und Chemikalienbranche bereits auf den Druck reagiert. Ich habe 30 Jahre in der Industrie verbracht und noch nie so viel Begeisterung aber auch Druck gespürt, die Branche nachhaltiger zu machen. Der Druck, etwas zu ändern, kommt vonseiten der Verbraucher und das spiegelt sich in den klar formulierten Nachhaltigkeitsverpflichtungen großer Marken wider. Er kommt aber auch von den Gesetzgebern, die die notwendigen Instrumente entwickeln, um die Branche mittels Push & Pull in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft zu bewegen.

Um unsere Unternehmen und Industrien zukunftssicher zu machen und den Erwartungen unserer Stakeholder wirklich gerecht zu werden, ist die Transformation der Branche hin zu einer zirkulären Ökonomie meiner Überzeugung nach keine Option. Sie ist ein Muss. Und DIE Lizenz, um in der Zukunft betriebsfähig zu sein.

2. Es gibt bereits Lösungen – setzen wir sie in die Tat um.

Wir bei Neste haben ein ehrgeiziges Ziel: Wir möchten uns zu einem Weltmarktführer für erneuerbare und zirkuläre Lösungen entwickeln. Wir sind der weltweit größte Produzent von Erneuerbarer Dieselkraftstoff und erneuerbarer Flugtreibstoff. Im Bereich der Polymere und Chemikalien gibt es für uns damit zwei Schwerpunkte:

Der erste ist Zirkularität: Gemeinsam mit mehreren Partnern aus der Kunststoffwertschöpfungskette entwickeln wir Technologien und Kapazitäten, um Kunststoffabfälle, die heute nicht recycelt werden, chemisch zu verwerten. Unser Ziel ist die Verarbeitung von jährlich 1 Million Tonnen Kunststoffabfälle ab 2030. Und wir sind auf einem guten Weg: Im letzten Herbst hatten wir bereits 400 Tonnen Kunststoffabfälle industriell zu hochwertigem Rezyklat verarbeitet.

Das andere Schlüsselwort ist Erneuerbar: Die Produktion von erneuerbaren, nachwachsenden Rohstoffe, die fossile Rohstoffe bei der Herstellung einer Vielzahl von Kunststoffen und Chemikalien ersetzen. Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir bereits 2019 die erste kommerzielle Produktion von biobasierten Kunststoffen aus erneuerbaren Rohstoffen durchgeführt und weitere Partnerschaften angekündigt.

Meine zweite These lautet folgendermaßen: Es gibt bereits Lösungen – wir müssen sie nur noch in die Tat umsetzen. Wir sind über den Punkt hinaus, an dem es ausreicht, nur Ziele zu setzen: Wir müssen jetzt anfangen, uns für nachhaltigere Lösungen zu entscheiden. Und diese Lösungen sind bereits verfügbar. Was vor einem Jahrzehnt noch futuristisch anmutete, ist heute bereits möglich.

Alle neuen Lösungen erfordern jedoch erhebliche Investitionen. Und Investitionen verlangen zudem ein vorhersehbares Geschäftsumfeld und Richtlinien, die Innovationen fördern, da Innovationszyklen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen, bis sie Realität werden. 

Fortschrittliche, technologisch vorausschauende und einheitliche Rahmenbedingungen können alle Akteure der Branche zu Innovationen ermutigen und den Wert der vorhandenen Ressourcen maximieren. Dies ist entscheidend für die Beschleunigung der Umstellung auf eine zirkuläre Ökonomie sowie für das Wirtschaftswachstum und den Aufschwung im Allgemeinen.

3. Die zirkuläre Bioökonomie ist eine Geschäftschance, die man am besten gemeinsam mit Partnern ergreift.

Das alles ist natürlich nicht ohne Kooperation möglich. Die Bewältigung der Klimakrise oder der weltweiten Herausforderung Plastikmüll erfordert Innovation, Engagement und vor allem – Partnerschaften. 

Die Schließung des Kreislaufs erfordert viele Maßnahmen und die Unterstützung der gesamten Wertschöpfungskette. Gemeinsam können Vorreiterunternehmen selbst innerhalb der komplexesten Wertschöpfungsketten einen äußerst positiven Einfluss ausüben. Meine dritte These ist daher, dass die zirkuläre Bioökonomie eine Geschäftschance ist, die man am besten gemeinsam mit Partnern ergreift.

Ich bin überzeugt, dass zirkuläre Ökonomie nicht nur als etwas angesehen werden sollte, dem man sich stellen muss, sondern auch als Geschäftschance. Die nachhaltigsten Unternehmen der Welt sind in vielerlei Hinsicht auch die erfolgreichsten und widerstandsfähigsten. Es sind die Unternehmen, die an die Macht der Zusammenarbeit glauben.

Nachhaltigkeit und zirkuläre Ökonomie sollten als Wertschöpfungstreiber gesehen werden. Sie haben einen Wert an sich – Unternehmen sollten nachhaltig sein und nachhaltig arbeiten, nicht weil es gesetzlich vorgeschrieben ist oder von anderen erwartet wird, sondern weil es tatsächlich der einzige Weg ist, Unternehmen langfristig erfolgreich zu führen. 

Es ist der beste Ansatz nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft – ganz zu schweigen vom gesamten Planeten. Nicht nur, damit wird diese Pandemie überstehen, sondern langfristig auch, um die Klimakrise und die weltweite Herausforderung Plastikmüll zu bewältigen.

Peter Vanacker
President und CEO

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Peter Vanacker
President und CEO von Neste