Klimawandel
1.12.2023
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Auf halbem Weg zu den Klimazielen für 2030 - was ist von der COP28 zu erwarten?

Nick van Mead

„Es wird oft gesagt, dass es vor der Morgendämmerung am dunkelsten ist“, sagt der weltbekannte Experte für Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung John Elkington, während wir über die Waldbrände und Überschwemmungen dieses Sommers sprechen, über das wahrscheinlich heißeste Jahr, das jemals aufgezeichnet wurde, und darüber, was die Klimakonferenz der Vereinten Nationen auf der COP28-Konferenz dagegen tun kann.

Elkington - Mitbegründer des Think-Tanks Volans, Autor von 21 Büchern und Mitglied des Neste-Beirats für Nachhaltigkeit und neue Märkte - wird vom 30. November bis 12. Dezember 2023 in Dubai an der COP28-Konferenz  teilnehmen, zusammen mit Hunderten von Präsidenten und Ministern, CEOs, Umweltaktivisten und Lobbyisten aus der Industrie.

Die diesjährige „Konferenz der Parteien“ markiert den halben Weg zwischen dem Pariser Abkommen 2015 (das auf der COP21 unterzeichnet wurde) und 2030. Bis dahin müssen die Regierungen der Welt Anstrengungen unternehmen, um den Anstieg der globalen Temperaturen auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau und deutlich unter 2 °C zu begrenzen. Sie einigten sich auch darauf, die Treibhausgasemissionen zwischen 2050 und 2100 auf ein Netto-Null-Niveau zu begrenzen, d. h. auf den Wert, bei dem die durch menschliche Aktivitäten verursachten Treibhausgase auf natürliche Weise absorbiert werden können.

Auf der COP28 findet auch die erste  Global Stocktake (GST) statt, die von der UN-Klimarahmenkonvention alle fünf Jahre durchgeführt und als „eine Art Bestandsaufnahme“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass man sich alles anschaut, was mit dem Stand der weltweiten Klimaschutzmaßnahmen und -unterstützung zu tun hat, um Lücken aufzudecken und gemeinsam einen Weg zu finden, Klimaschutzmaßnahmen schneller umzusetzen als bisher.“

Eine Vorabversion der GST unterstreicht die entscheidende Rolle des Pariser Abkommens bei der schnelleren Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen in den letzten Jahren. Darin heißt es: „Das Pariser Abkommen hat durch die Festlegung von Zielen und dem Aussenden von Signalen an die Welt hinsichtlich der Dringlichkeit, auf die Klimakrise zu reagieren, nahezu universelle Klimamaßnahmen vorangetrieben (...) und hat zu Beiträgen geführt, die die Prognosen für die künftige Erwärmung deutlich reduzieren.“

Das Innovationstempo - rund um erneuerbare Energien, Produkte wie nachhaltiges Flugbenzin, neue Technologien wie power-to-X und neuartige Rohstoffe wie Algen - geben Anlass zur Hoffnung und kündigen eine neue Generation von postfossilen Geschäftsmodellen und Wirtschaftssystemen an.

Die GST drängt jedoch auch auf mehr Maßnahmen an allen Fronten und stellt fest, dass die Welt nicht auf dem richtigen Weg ist, um die langfristigen Ziele des Abkommens zu erreichen. Zu den 17 Hauptergebnissen gehört, dass die Emissionen zu schnell ansteigen, um das Ziel von 1,5 Grad Celsius bis 2030 zu erreichen (sie müssten innerhalb der nächsten zwei Jahre ihren Höchststand erreichen, steigen aber immer noch an), und dass das Erreichen von Netto-Null bis 2050 „absolute wirtschaftsweite Emissionsreduktionsziele“ mit Kosten von „Billionen von Dollar“ erfordern würde. 

Die GST gibt uns ein besseres Gefühl für die Diskrepanz zwischen dem, was wir tun sollten, und dem, was wir erreichen, sagt Elkington, warnt aber davor, dass „es kein schönes Bild sein wird - wir sind weit von den Zielen entfernt.“

Trotzdem sieht er einen gewissen Grund für Optimismus. „Ich habe das Gefühl, dass wir uns in einem exponentiellen Prozess befinden“, sagt er. „Ich glaube, dass dieser ganze Prozess in zwei oder drei Jahren aus dem Ruder laufen wird. Wenn es soweit ist, wird es viel schneller gehen und schmerzhafter sein als erwartet, vor allem für die Unternehmen und Wirtschaften, die in fossilen Brennstoffen verankert sind.“

Die tödlichen Hitzewellen, Waldbrände, Überschwemmungen, Dürren und Stürme dieses Jahres bedeuten, dass die Welt keine andere Wahl hat, als aufzuwachen und nicht länger wegzuschauen. Lange Zeit hieß es, dass Maßnahmen für künftige Generationen ergriffen werden müssen - aber angesichts der Auswirkungen, die hier und jetzt zu spüren sind, wird deutlich, dass wir auch für uns selbst etwas tun müssen. 

„Ich denke, die Menschen werden plötzlich wach werden, nachdem sie so lange weggeschaut haben“, so Elkington. „Selbst die Modelle und Prognosen, die weniger Zurückhaltung an den Tag legen, werden von der Realität überholt. Wir müssen erkennen, dass wir alles verlieren werden, was uns lieb und teuer ist, wenn wir nicht handeln.“

„Es handelt sich hier um eine existenzielle Herausforderung für die Menschheit“, so Elkington weiter. „Ich denke, dass wir in 15-20 Jahren eine völlig veränderte Wirtschaftslandschaft vorfinden werden. Eine große Anzahl von Unternehmen wird verschwinden, neue werden hinzukommen - es wird zu einer  absoluten Marktumwälzung kommen.“

Welche Prioritäten können wir auf der COP28 erwarten?

  • In seinem „Brief an die Parteien“erklärte der Präsident der COP28, Al Jaber, dass der GST-Prozess und das Sofortmaßnahmenpaket „Substanz brauchen, damit sie Wirklichkeit werden können“. Er forderte alle Parteien, Beobachter und andere Interessengruppen auf, zur COP28 mit Beiträgen für eine sektorale Antwort auf die GST zu kommen, die sich darauf konzentriert, die Lücken bis 2030 zu schließen.
  • Al Jaber fügte hinzu: „Die schrittweise Verringerung der Nachfrage nach und des Angebots an allen fossilen Brennstoffen ist unvermeidlich und unerlässlich. Um dieses Ziel zu erreichen, sind verstärkte politische Maßnahmen erforderlich.“
  • Die COP28 wird aufbauend auf der Arbeit der COP27 in Sharm el Sheikh Maßnahmen zur Anpassung und zum Umgang mit Verlusten und Schäden vorantreiben. 
  • Zu den Thementagen gehören Finanzen und Handel am 4. Dezember, Energie und Industrie am 5. Dezember sowie Urbanisierung und Verkehr am 6. Dezember.

Nick van Mead, ein preisgekrönter Journalist mit mehr als 20 Jahren Erfahrung beim Guardian und der Associated Press, zuletzt als stellvertretender Herausgeber von Guardian Cities.